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erufsbild Lerntherapeut:in

Berufsbilder als normative Grundlage

Ein Berufsbild ist die normative Grundlage für die Regelung eines Berufs. Seit der Neuregelung der Berufs- und Hochschulabschlüsse im Zuge der europäischen Harmonisierung (Bologna-Prozess) ist eine solche Zertifizierung auf der Grundlage der ISO 17024 der Ersatz für die frühere „staatliche Anerkennung“ von Berufen.

Ein Berufsbild beschreibt in allgemeiner Form die Elemente des jeweiligen Berufs und damit alle Tätigkeiten, „die in der Ausbildung und Ausübung eines spezifischen Berufs ausgeführt werden. … Durch die Beschreibung grenzt sich der jeweilige Beruf von anderen Berufen ab. Berufsbilder werden … von Berufsverbänden festgelegt…“ (Quellen: enzyklo.de, ris.bka.gv.at, Christian Wiechel-Kramüller: Berufsbilder mit Zukunft).

Zu den Bestandteilen eines Berufsbildes gehören neben der Beschreibung der Tätigkeiten, die von den jeweiligen Berufsträgern ausgeübt werden, eine Auflistung der zur Berufsausübung benötigten Kompetenzen, die formalen Voraussetzungen und die wesentlichen Nachweise, die im Zuge einer Erstzertifizierung und im Zusammenhang mit den später regelmäßig durchzuführenden Re-Zertifizierungen zu erbringen sind. Berufsbilder verweisen in aller Regel auf die üblichen Wege und Möglichkeiten, um die benötigten Kompetenznachweise zu erwerben.

Berufsbild ist kein Curriculum

Die zur Ausfüllung eines Berufsbilds notwendige Fach- und Methodenkompetenz wird außerhalb eines Berufsbilds definiert. Dazu können Bildungsträger Lehrpläne entwickeln und die Bestandteile etwa in Form einer Taxonomie gewichten. Häufig werden sie durch Kammern und Fachgesellschaften in Form eines Curriculums vorgegeben. Das Berufsbild ist der rechtliche und organisatorische Rahmen, der mit Lehrinhalten zu füllen ist. Zuförderst aber ermöglicht das Berufsbild die Festschreibung von Zugängen zu Berufen und damit den Ausschluss von weniger Qualifizierten und die angemessene Einstufung als zwingende Voraussetzung für die Aushandlung angemessener Leistungsentgelte und Honorare.

Berufsgruppen benötigen als Merkmal und Maßstab von Qualität ein Berufsbild, das einerseits beschrieben und veröffentlicht ist. Ein etabliertes Berufsbild, das in Verträgen codifiziert ist, entwickelt darüber hinaus eine normative Wirkung und bewirkt insbesondere den beabsichtigten Berufsschutz sowie die damit einhergehende Aufwertung der Berufsträger.

Etablierung eines Berufsbilds

Um diese Wirkungen erzielen zu können, muss das Berufsbild vertraglich oder tariflich festgeschrieben und damit etabliert sein. Dieser Prozess findet im Wesentlichen auf der berufsständischen Ebene statt.

Mit der Novelle des SGB VIII im Juni 2021 sind auch für Anbieter ambulanter Dienste zwingend Leistungs-, Qualitätsentwicklungs- Entgeltvereinbarungen durch die zuständigen öffentlichen Träger der Jugendhilfe abzuschließen, wenn die Anbieter dies begehren. Die dazu üblichen Rahmenverträge nach § 77 SGB VIII können weitgehend flächendeckend abgeschlossen werden. Damit entfalten sie eine Bindungswirkung – vorerst für den gesamten öffentlich finanzierten Bereich der KJH und der schulischen Bildung, die auch auf zuwendungsfinanzierte und von Selbstzahlern getragene Lerntherapie ausstrahlen wird. Damit kommt dem vertraglich vereinbarten Berufsbild eine faktisch allumfassende Bindungswirkung zu.

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Berufsbild Lerntherapeut:in
Präambel

Das Berufsbild Lerntherapeut:in ist das Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses. Hier werden die normativen Grundlagen der fachlichen und berufsständischen Debatte der verschiedenen Verbände und Träger in der Ausbildung zum/zur Lerntherapeut:in festgeschrieben. Der Berufsverband positioniert sich ausdrücklich nicht im Hinblick auf disziplinär unterschiedliche Modelle. Insbesondere macht er keine Aussage zu den (z. B. neurologisch-medizinischen, psychosozialen, didaktogenen) Erklärungsmodellen zur Entstehung der Therapiebedürftigkeit.

Lerntherapeut:innen bieten auf der Basis des Berufsbilds Lerntherapeut:in allein oder im Team, lokal vernetzt und in Verbindung mit anderen Fachkräften eine umfassende Therapie an. Zum Nachweis ihrer fachlichen und methodischen Kompetenz führen Lerntherapeut:innen zukünftig ein unabhängiges, akkreditiertes Zertifikat.

1 Aufgaben und Tätigkeiten

Lerntherapeut:innen führen Lerntherapien für Kinder, Jugendliche und Erwachsene[1] mit besonderen Lernbedürfnissen durch. Diese können entstehen durch:

– Lese-Rechtschreibstörungen und/oder Rechenstörungen,
– sonstige Beeinträchtigungen des Erlernens des Lesens, der Orthografie und/oder des Rechnens,
– das Lernen beeinträchtigende Komorbiditäten und
– weitere mit dem Lernen und Lernhemmnissen verbundene Faktoren.
Dazu diagnostizieren, analysieren und bewerten sie zunächst die individuellen Lernstände und Lernkonzepte. Gemeinsam mit allen Beteiligten erfassen sie die Ressourcen, den Lernbedarf sowie Ziele und Erwartungen, um daraus den individuellen Therapieplan abzuleiten.

Lerntherapeut:innen unterstützen ihre Klient:innen dabei, die Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und/oder Rechnen nach Möglichkeit zu überwinden. Der individuelle Therapieplan zeigt die hier existierenden Möglichkeiten und Grenzen auf. Immer ist es Ziel, dass die Betroffenen durch das Erlernen der Kulturtechniken des Lesens, Schreibens und Rechnens am schulischen und gesellschaftlichen Leben möglichst angstfrei und selbständig teilhaben können.

Lerntherapeut:innen gestalten Lernmöglichkeiten und -angebote so, dass sich die Betroffenen ausprobieren, ihre Stärken entdecken, Kompetenzen entfalten und die Lernschwierigkeiten möglichst überwinden können. Dazu vermitteln Lerntherapeut:innen Wissen, trainieren mit den Klient:innen neue Lernstrategien und ein erfolgreiches Lernverhalten. Sie stellen die Stabilisierung der Persönlichkeit in den Mittelpunkt und wissen, dass ohne Grundfertigkeiten im Lesen und Schreiben oder im Rechnen eine Stabilisierung nur schwer gelingen kann. Das soziale Umfeld (in der Regel Eltern und Lehrkräfte, ggf. andere betroffene Systeme) wird in den Therapie- und Beratungsprozess mit einbezogen.

Lerntherapeut:innen verfügen über

– therapeutische Fachkompetenzen,
– didaktisches Fachwissen im Bereich Schriftspracherwerb und/oder Rechenerwerb und
– Beziehungs- und Beratungskompetenzen.
Das Eingehen auf die besondere Lern- und Lebenssituation von Menschen mit Therapiebedarf erfordert ein hohes Maß an Belastbarkeit, Durchhaltevermögen, Geduld und Flexibilität. Lerntherapeut:innen verfügen über Kompetenzen zur Planung, Bearbeitung und Auswertung von umfassenden fachlichen Aufgaben sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen.

Zur Reflexion ihres beruflichen Handelns und Entscheidens nutzen Lerntherapeut:innen bewährte Beratungsmethoden wie Supervision und Coaching. Diese ermöglichen, mit einem Außenblick berufliche Herausforderungen zu reflektieren, weiterzuentwickeln und zielgerichtet umzusetzen.

1.1 Analyse und Diagnostik

Vor Beginn einer Lerntherapie bedarf es einer eingehenden Untersuchung der Ausgangslage. Daher werden zunächst Daten der Entwicklungsgeschichte, der aktuellen Lernsituation und die diagnostische Vorgeschichte erhoben. Lerntherapeut:innen analysieren so die Lernausgangslage der Klient:innen und erfassen deren aktuelle Lernsituation.

Für eine umfassende und differenzierte Therapieplanung führen Lerntherapeut:innen sowohl quantitative als auch qualitative Kompetenzanalysen durch. Ressourcen und Lernbedarf werden ebenso ermittelt wie die Erwartungen und Ziele der Betroffenen und des sozialen Umfelds. Die Ergebnisse werden in einem prozessorientierten Therapieplan dokumentiert.

1.2 Lerntherapie

Ausgehend vom erarbeiteten individuellen Therapieplan konzipieren Lerntherapeut:innen das Vorgehen und die Lernschritte systematisch und strukturiert. Sie eröffnen ihren Klient:innen neue Zugänge zu Lernstrategien, zur Schriftsprache und/oder Mathematik. Durch eine gezielte Gestaltung selbstwirksam erlebter Lernprozesse ermöglichen sie die Wahrnehmung von Erfolgen.

Lerntherapeut:innen verfügen über ein breites Repertoire an therapeutischen und fachdidak­tischen Methoden, Interventionen und Konzepten, die sie individuell angepasst einsetzen. Sie können zu jedem Zeitpunkt den Therapiestand einschätzen und das the­rapeutische Vorgehen fachlich begründen. Sie dokumentieren sowohl förderdiagnostische Beobach­tungen, Analysen und Kontrollen als auch den individuellen Entwicklungsprozess ihrer Klient:innen und leiten daraus entsprechende Maßnahmen ab. Sie setzen im Therapieprozess eine begleitende Diagnostik zur Erfassung des Entwicklungsstandes der Klient*innen ein und evaluieren damit die eingesetzten Fördermethoden.

Aus lerntherapeutischer Sicht endet die Lerntherapie, wenn die gemeinsam im Therapieplan definierten und laufend fortgeschriebenen Ziele der Verbesserung der individuellen Leistungen, der psychischen Stabilisierung sowie der sozialen Integration und gesellschaftlichen Teilhabe erreicht sind.

1.3 Dokumentation und Administration

Lerntherapeut:innen dokumentieren neben den vertraulichen, therapierelevanten Informationen auch die vereinbarten und vertraglich geregelten Informationen über die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen für die Leistungsträger der örtlichen Jugendhilfe. Gegenüber Selbstzahler:innen und anderen Kostenträgern erfolgt gleichsam eine angemessene und aus therapeutischer Kompetenz entwickelte Dokumentation der Therapie.

Freiberuflichen Lerntherapeut:innen obliegt zusätzlich die wirtschaftliche Unternehmensleitung mit allen Kalkulations-, Planungs-, Steuerungs- und Dispositionsaufgaben sowie der Rechenschaftslegung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. Dazu zählen sämtliche Praxisabläufe sowie die Mitarbeiter:innen-Führung, Mitarbeiter:innen-Anleitung und Ausbildung von Lerntherapeut:innen. Unternehmensleitung in Form von Administration, Rechenschaftsführung, Datenschutz, Akquisition und Au­ßendarstellung fällt unabhängig von der Führung eines eigenständigen Betriebs und von der Anzahl der Mitarbeitenden an.

1.4 Einbeziehung des Umfelds

Lerntherapeut:innen arbeiten in guter Vernetzung mit anderen an der lerntherapeutischen Förderung Beteiligten. Zur gelingenden Lerntherapie ist darüber hinaus die umfassende Einbindung des häuslichen und alltäglichen Umfelds unerlässlich.

Den Erziehungsberechtigten gegenüber besteht eine Auskunftsverpflichtung. In regelmäßigen Gesprächen werden mit ihnen Auftrag und Zielvereinbarungen reflektiert und angepasst. Eine Lerntherapie beinhaltet die regelmäßige Information und Beratung der an der Lernentwicklung der Klient:in beteiligten Personen. In der Regel sind dies die Eltern und die Lehrkräfte.

Neben der Information über Ergebnisse der Diagnostik, Ziele und Entwicklungen in der Therapie ist auch die Beratung der Eltern und des sozialen Umfelds für den Erfolg einer Lerntherapie von Bedeutung. Hierbei stehen die Vermittlung von Verständnis für die Lernstörung und die entwicklungsfördernde Unterstützung der Klient:innen im Vordergrund, um die in der Lerntherapie erworbenen Fertigkeiten in den Alltag transferieren zu können. Bei Bedarf wird geprüft, ob weitere fördernde oder therapeutische Maßnahmen erforderlich sind.

2 Arbeitsumfeld

Lerntherapeut:innen arbeiten in den Bereichen der Therapie und der Prävention. Klient:innen sind sowohl Kinder und Jugendliche im Vorschul- und Schulalter als auch (junge) Erwachsene mit Lernschwierigkeiten. Lerntherapeut:innen werden je nach konkreter Situation und je nach Bedarf der Klient:innen in unterschiedlichen Settings tätig. Die Lerntherapie findet im Regelfall als Einzeltherapie statt.

Lerntherapeut:innen arbeiten als Freiberufler:innen in eigener oder fremder Praxis, als Angestellte in lerntherapeu­tischen Praxen oder in Schulen, Beratungsstellen, Kliniken und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Die Einbindung lerntherapeutischer Angebote in die schulische Organisa­tion macht sie nicht zu einem Bestandteil des schulischen Curriculums.

2.1 Durchführung der Lerntherapie

Die Lerntherapie findet in geeigneten Therapieräumen statt. Diese Räume entsprechen den wesentlichen Anforderungen des Arbeitsschutzes, verfügen über eigene Sanitärräume und bei Bedarf über gesonderte Büro- und Besprechungsmöglichkeiten.

Im Regelfall findet die Lerntherapie in Präsenz in diesen Räumen statt. Bei Bedarf, Notwendigkeit oder zur Erleichterung einer regelmäßigen Therapie kann Lerntherapie auch in Remote oder außerhalb der Therapieräume stattfinden. In diesen Fällen gelten ansonsten dieselben Bedingungen.

Findet Lerntherapie in schuleigenen Räumen statt, so müssen diese störungsfrei sein und verlässlich zur Verfügung stehen. Dabei ist die gebotene Schweigepflicht eines lerntherapeutischen Settings sicherzustellen.

Lerntherapie wird im System der Bezugsbetreuung erbracht. Lerntherapeut:innen tauschen sich in regionalen Netzwerken aus, um interdisziplinäre Arbeit und kollegiale Beratung sicherzustellen.

Lerntherapeut:innen arbeiten mit „insoweit erfahrenen Fachkräften Kinderschutz“ (§ 8a SGB VIII[2]) zusammen und treffen alle sinnvollen Vorkehrungen sowohl für Kinderschutz als auch für Teilhabe- und Beschwerdemöglichkeiten. Zu diesem Zwecke stellen Lerntherapeut:innen Möglichkeiten zur internen Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten zur Verfügung, beteiligen sich an einem System zur externen Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten und weisen Ihre Klient:innen sowie bei Bedarf deren Erziehungsberechtigte ausdrücklich auf diese Möglichkeiten und die beste­henden Ombudsstellen in der Kinder- und Jugendhilfe hin.

2.2 Gespräche mit dem Umfeld und dessen Beratung

Gespräche mit Eltern, Lehrkräften und anderen Beteiligten sind ein integraler Bestandteil der Lerntherapie. Sie sind regelmäßig und nach Bedarf durchzuführen. Dabei beraten Lerntherapeut:innen die Akteur:innen im Umfeld über deren Möglichkeiten zur Unterstützung des Therapieerfolgs.

Wird die Lerntherapie aufgrund einer Kostenübernahme durch einen öffentlichen Leistungs­träger erbracht, erfolgt eine enge Kooperation mit dem Leistungsträger. Daher sind Hilfeplankonferenzen und alle Formen der Abstimmung mit Leistungsträgern integraler Bestandteil der Lerntherapie. Lerntherapeut:innen sind in das Hilfeplanverfahren einzubeziehen; sie verpflichten sich, an Hilfeplangesprächen teilzunehmen und Entwicklungsberichte zu erstellen.

Der Austausch der Lerntherapeut:innen mit allen übrigen Beteiligten kann persönlich oder IP-gestützt[3] (Telefon, Mail oder mit sonstigen Ende-zu-Ende-verschlüsselten, DSGVO-konformen[4] Systemen) erfolgen. Im Einzelfall verständigen sich Lerntherapeut:innen mit ihren Gesprächspartner:innen über den zu wählenden Kommunikationsweg.

3 Leistungsentgelt

Die Leistung von Lerntherapeut:innen ist angemessen und ortsüblich durch ein Leistungsentgelt zu honorieren. Bei der Ermittlung des Leistungsentgelts kalkulieren Lerntherapeut:innen nach den Grundsätzen von Leistungsfähigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Dabei gel­ten die betriebswirtschaftlich üblichen Verfahren.

Der Personalkostenanteil des Leistungsentgelts für die lerntherapeutische Tätigkeit kann in Analogie zum TVöD SuE[5] (Entgeltgruppen bis E 17) ermittelt werden. Dabei ist unbeschadet der beteiligten Individuen ein Mittelwert für die Personalkosten insbesondere bei den Erfahrungsstufen anzusetzen.

Für die Erbringung von Leistungen mit individuellem gesetzlichen Anspruch gemäß SGB VIII sind Rahmenvereinbarungen über die Leistung, die Qualitätsentwicklung und das Entgelt zu schließen. Ist in einem Jugendamtsbezirk nur ein:e diesem Berufsbild entsprechende zertifi­zierte Lerntherapeut:in tätig, kann ersatzweise eine Einzelvereinbarung (Trägervertrag) geschlossen werden. Die Vereinbarungen sollen die Festlegungen dieses Berufsbildes aufnehmen.

4 Zugänge zum Beruf

Für den Zugang zur lerntherapeutischen Arbeit werden durch dieses Berufsbild verbindliche Mindestanforderungen definiert. Die Anforderungsstruktur der Lerntherapie ist durch hohe Komplexität und häufige Veränderungen gekennzeichnet. Lerntherapeutische Arbeit erfordert einen hohen bis sehr hohen Grad an Selbständigkeit und Flexibilität sowie ein detailliertes und spezialisiertes Fachwissen.

Ausbildung

Eine Qualifizierung zum/zur Lerntherapeut:in ist auf unterschiedlichen Wegen möglich und führt mindestens zum Erreichen der DQR-Niveaustufe[6] 6. Lerntherapeut:innen erwerben ihre Qualifikation in Erfüllung der Punkte 1 und 3 oder der Punkte 2 und 3 der nachstehenden Liste:

Eine Qualifizierung zum/zur Lerntherapeut:in ist im Rahmen einer anerkannten Ausbildung möglich. Anerkannt werden Ausbildungswege, die die Themenfelder
– Pädagogik, Psychologie und Medizin sowie deren Nachbardisziplinen
– Fachdidaktik Deutsch und/oder Fachdidaktik Mathematik
– therapeutische Kompetenzen und
– kaufmännisches Grundwissen
fachlich angemessen und ausgewogen vermitteln und einen Umfang von mindestens 800 UE[7] haben. Bei Spezialisierung auf einen der Schwerpunkte Legasthenie- oder Dyskalkulietherapie beträgt der Umfang mindestens 560 UE. Die Anerkennung von Ausbildungen erfolgt gemäß der jeweils aktuellen Berufsordnung des BLT[8].

Voraussetzung für den Zugang zur Ausbildung ist in der Regel ein in Deutschland anerkannter Ausbildungsabschluss auf der Niveaustufe 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR in der jeweils aktuellen Fassung) in einer einschlägigen (z. B. therapeutischen, pädagogischen, medizinischen, psychologischen, natur-, geistes- oder sozialwissenschaftlichen) Disziplin.

Alternativ zu einer Qualifizierung gemäß Punkt 1 dieser Aufzählung können Lerntherapeut:innen ihre Qualifikation durch den Abschluss eines lerntherapeutischen Stu­diums an einer europäischen Hochschule in Verbindung mit der Praxiserfahrung gemäß Punkt 3 nachweisen. Ein Abschluss ist auf der Niveaustufe 6 (Bachelor mit 180 ECTS[9]/5.400 UE) oder auf der Niveaustufe 7 (Master mit 60 bzw. 120 ECTS/1.800 bzw. 3.600 UE) möglich.
Ergänzt wird die Ausbildungskombination gemäß den Punkten 1 und 2 dieser Aufzählung durch Praxiserfahrung im Umfang von mindestens 500 UE. Bei Spezialisierung auf einen der Schwerpunkte Legasthenie- oder Dyskalkulietherapie beträgt der Umfang mindestens 300 UE. Hinzu kommt eine super- und/oder intervisorische Begleitung im Regelumfang von 75 UE. Diese Praxiserfahrung kann in anerkannten lerntherapeutischen Ausbildungspraxen oder in anderen lerntherapeutischen Settings in einem Team unter engmaschiger Supervision erworben werden.
Damit verfügen qualifizierte Lerntherapeut:innen über eine fachwissenschaftlich fundierte und einschlägige Ausbildung in Theorie und Praxis. Sie wird durch ein akkreditiertes Zertifikat nachgewiesen, das zum 01. Januar 2025 eingeführt wird.

Die Zertifizierung erfolgt befristet für die Dauer von vier Jahren. Vor Fristablauf ist zu belegen, dass die persönliche Qualifikation gemäß den Mindestregeln des Zertifikats aufrechterhalten und weiterentwickelt wurde. Nach erfolgreicher Prüfung dieser Nachweise erfolgt eine Re-Zertifizierung zu gleichen inhaltlichen Bedingungen.

Bis zum 30.06.2026 besteht für bis dahin seit mehr als drei Jahren tätige Lerntherapeut:innen die Möglichkeit auf Anerkennung und Zertifizierung der Gleichwertigkeit ihrer theoretischen und praktischen Kenntnisse (Übergangsregelung). Lerntherapeut:innen, die bereits eine aktuelle Zertifizierung des Fachverbands für integrative Lerntherapie (FiL e.V.) oder vom Bund deutscher Psycholog:innen (BDP e.V.) führen oder eine vom Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie (BVL e.V.) oder dem Verbund dyskalkulietherapeutischer Facheinrichtungen (VDF) zertifizierte Ausbildung nachweisen, erfüllen die damit verbundenen Anforderungen. Sie können auf dieser Grundlage dem Berufsverband beitreten und sich zertifizieren lassen.

Berlin, den 05. Juni 2024

Berufsverband für Lerntherapeut:innen e.V. – Der Vorstand

Cornelia Weilke | Martin Klocke

[1] im Weiteren „Klient:innen“

[2] Sozialgesetzbuch 8, Kinder- und Jugendhilfe

[3] Internet-Protokoll

[4] Systeme, die der Datenschutz-Grundverordnung entsprechen

[5] Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, Sozial- und Erziehungsdienste

[6] Niveaustufe des Deutschen Qualifikationsrahmens als Teil des Europäischen Qualifikationsrahmens

[7] Unterrichtseinheiten im Umfang von 45 Min.; sie umfassen z.B. Präsenz-, Online- und Selbststudienzeiten, Erstellen von Referaten und Haus- sowie Abschlussarbeiten.

[8] Zum Zeitpunkt der Verabschiedung gilt die von der MV verabschiedete Fassung vom 16. Sept 2020.

[9] European Credit Transfer System: System zur Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen

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