Berufsverband für Lerntherapeut*innen e.V.

Die Erarbeitung eines Berufsbilds ist eine wichtige Angelegenheit, weil so die normative Grundlage für die Arbeit der Berufsträger:innen geschaffen wird. Das hier vorliegende „Berufsbild Lerntherapeut:in“ wurde vom Berufsverband für Lerntherapeut:innen e.V. (BLT) gemeinsam mit dem Fachverband für integrative Lerntherapie e.V. (FiL) erarbeitet, basiert auf Vorarbeiten des FiL und ist jetzt durch den BLT zu etablieren.

Ein Berufsbild zu etablieren erfordert Verträge mit Kostenträgern und einen einheitlichen, transparenten und verbandsunabhängigen Qualifikationsnachweis. Verhandlungen von Verträgen über lerntherapeutische Leistungen werden bundesweit vom BLT für alle Lerntherapeut:innen geführt. An der Einführung des notwendigen Qualifikationsnachweis arbeitet der BLT. Parallel zur Etablierung dient das Berufsbild der Konsensfindung mit den Verbänden der Lerntherapeut:innen und den Trägern lerntherapeutischer Ausbildungen. Daher unterliegt das Berufsbild einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess.

Im Ergebnis soll ein etabliertes und vertraglich gesichertes Berufsbild zu einer angemessenen Honorierung lerntherapeutischer Arbeit führen und einen wichtigen Beitrag leisten, um offene Fragen wie die Rentenversicherungspflicht für Lerntherapeut:innen oder die Befreiung von der Umsatzsteuer abschließend zu klären.

Das aktuelle Berufsbild Lerntherapeut:in

1 Aufgaben und Tätigkeiten

Lerntherapeut:innen führen Lerntherapien für Kinder, Jugendliche und Erwachsene bei Lernstörungen wie Lese-Rechtschreibstörungen (Dyslexie) und/oder Rechenstörungen (Dyskalkulie) durch. Dazu diagnostizieren, analysieren und bewerten sie die individuellen Lernstrukturen. Gemeinsam mit allen Beteiligten erfassen sie die Ressourcen, den Lernbedarf, Ziele und Erwartungen und leiten davon einen Therapieplan ab.
Sie begleiten ihre Klient:innen dabei, trotz ihrer Schwierigkeiten Lesen, Schreiben und/oder Rechnen zumindest so weit zu lernen, dass sie im schulischen Lernen bestehen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Sie gestalten Lernmöglichkeiten und -angebote so, dass sich die Betroffenen ausprobieren, ihre Stärken entdecken, Kompetenzen entfalten und Lernschwierigkeiten überwinden können. Dazu vermitteln Lerntherapeut:innen Wissen, trainieren mit den Klient:innen neue Lernstrategien und ein erfolgreiches Lernverhalten; sie stellen dabei die Stabilisierung der Persönlichkeit in den Mittelpunkt und beziehen das soziale Umfeld (in der Regel Eltern und Lehrkräfte) in den Therapie- und Beratungsprozess mit ein.
Die Anforderungsstruktur der Lerntherapie ist durch Komplexität und häufige Veränderungen gekennzeichnet. Qualifizierte Lerntherapeut:innen verfügen über therapeutische Handlungskompetenzen , fundierte Fachkompetenzen im Bereich Schriftspracherwerb, Rechenerwerb und Lernpsychologie sowie Beziehungs- und Beratungskompetenzen (Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, Empathie, Aufgeschlossenheit). Das Eingehen auf die besondere Lern- und Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen mit Teilleistungsstörungen erfordert ein hohes Maß an Belastbarkeit, Durchhaltevermögen, Geduld und Flexibilität.
Lerntherapeut:innen verfügen über Kompetenzen zur Planung, Bearbeitung und Auswertung von umfassenden fachlichen Aufgaben sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen in einem wissenschaftlichen Fach.

1.1 Analyse und Diagnostik

Allein, lokal vernetzt oder in Kooperation mit anderen Fachkräften diagnostizieren und analysieren Lerntherapeut:innen die Symptome und Erscheinungsformen der Lernstörungen. Dazu
werden Daten der Entwicklungsgeschichte und der aktuellen Lernsituation erhoben, die Auswertungen standardisierter und informeller Testverfahren der Lern- und Leistungsdiagnostik
sowie strukturierter Beobachtungen und Befragungen zusammengefasst und daraus lerntherapeutische Fördermaßnahmen abgeleitet. Die Ergebnisse werden in einem Förderplan dokumentiert, in dem auch Aussagen zur Umsetzung benannt sind.
Lerntherapeut:innen führen für eine umfassende und differenzierte Therapieplanung sowohl quantitative als auch qualitative Kompetenzanalysen durch. Ressourcen und Lernbedarf werden ebenso ermittelt wie die Erwartungen und Ziele von Kindern, Eltern und Lehrern.

1.2 Therapie, Behandlung

Ausgehend vom erarbeiteten individuellen Förderplan konzipieren Lerntherapeut:innen das Vorgehen und die Lernschritte systematisch und strukturiert. So eröffnen sie ihren Klient:innen neue Zugänge zu Lernstrategien sowie zur Schriftsprache und/oder Mathematik. Durch eine gezielte Gestaltung selbstwirksam erlebter Lernprozesse ermöglichen sie die Wahrnehmung von Erfolgen.
Lerntherapeut:innen verfügen über ein breites Repertoire an therapeutischen und fachdidaktischen Methoden, Interventionen und Konzepten, die sie individuell angepasst einsetzen.
Lerntherapeut:innen können zu jedem Zeitpunkt den Therapiestand einschätzen und das therapeutische Vorgehen fachlich begründen. Sie dokumentieren förderdiagnostische Beobachtungen, Analysen und Kontrollen sowie den individuellen Entwicklungsprozess ihrer Klient:innen und leiten daraus entsprechende Maßnahmen ab. Sie setzen im Therapieprozess eine begleitende Diagnostik zur Erfassung des Entwicklungstandes des Klienten ein und evaluieren damit die eingesetzten Fördermethoden.
Die Lerntherapie endet, wenn die definierten Ziele erreicht sind, die Klient:innen wieder erfolgreich am (schulischen) Lernen teilhaben und die Verantwortung für ihr Lernen selbst übernehmen können. Die Zielerreichung zeigt sich in der Verbesserung der individuellen Leistungen, der psychischen Stabilisierung und der sozialen Integration und gesellschaftlichen Teilhabe.

1.3 Dokumentation und Administration

Lerntherapeut:innen dokumentieren neben den vertraulichen, therapierelevanten Informationen die vereinbarten und vertraglich geregelten Informationen über die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen für die Leistungsträger der örtlichen Jugendhilfe. Auch gegenüber Selbstzahler:innen und anderen Kostenträgern erfolgt eine angemessene und aus therapeutischer Kompetenz entwickelte Dokumentation der Therapie.
Freiberuflichen Lerntherapeut:innen obliegt zusätzlich die wirtschaftliche Unternehmensleitung mit allen Kalkulations-, Planungs-, Steuerungs- und Dispositionsaufgaben sowie der kaufmännischen Rechenschaftsführung. Dazu zählen darüber hinaus alle Praxisabläufe samt Mitarbeiter:innen-Führung, Mitarbeiter:innen-Anleitung und Ausbildung von Lerntherapeut:innen.
Unternehmensleitung in Form von Administration, Rechenschaftsführung, Akquisition und Außendarstellung fällt unabhängig von der Führung eines eigenständigen Betriebs und unabhängig von der Anzahl der Mitarbeitenden an.

1.4 Arbeit mit dem Umfeld

Lerntherapeut:innen arbeiten in guter Vernetzung mit anderen an der lerntherapeutischen Förderung beteiligten Berufsgruppen wie Lehrer:innen, Kinderärzt:innen, Kinder- und Jugendpsychiater:innen, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut:innen, Schulpsycholog:innen, Ergotherapeut:innen, Logopäd:innen, Erzieher:innen und weiteren Beteiligten. Zur gelingenden Lerntherapie ist darüber hinaus die umfassende Einbindung des häuslichen und alltäglichen Umfelds unerlässlich.
Den Erziehungsberechtigten gegenüber besteht eine Auskunftsverpflichtung. In regelmäßigen Gesprächen werden mit ihnen Auftrag und Zielvereinbarungen reflektiert und angepasst. Eine Lerntherapie beinhaltet eine regelmäßige Information und Beratung der an der Lernentwicklung des Klienten beteiligten Personen. In der Regel sind dies die Eltern und die Lehrkräfte. Neben einer Information über Ergebnisse der Diagnostik, Ziele und Entwicklungen in der Therapie sind auch Beratungsprozesse für den Erfolg einer Lerntherapie von Bedeutung.
Hierbei steht die Vermittlung von Verständnis für die Lernstörung und der Aufbau einer entwicklungsfördernden Unterstützung des Klienten im Vordergrund, damit die in der Lerntherapie erworbenen Fähigkeiten in den Alltag transferiert werden können. Bei Bedarf wird geprüft, ob weitere Fördermaßnahmen neben der Lerntherapie erforderlich sind.

2 Arbeitskontext

Lerntherapeut:innen arbeiten im Bereich der Therapie und der Prävention. Klient:innen sind sowohl Kinder und Jugendliche im Vorschul- und Schulalter, als auch junge Erwachsene und Erwachsene mit Lernschwierigkeiten. Lerntherapeut:innen werden je nach konkreter Situation und dem Bedarf der Klient:innen angemessen in unterschiedlichen Settings tätig. Im Regelfall wird Lerntherapie als Einzeltherapie betrieben; die Arbeit in Kleingruppen findet nur im begründeten Ausnahmefall statt.
Lerntherapie ist ein eigenständiges Angebot. Sie ergänzt weder Nachhilfe noch wird sie durch Nachhilfe ergänzt. Die Einbindung lerntherapeutischer Angebote in die schulische Organisation macht sie nicht zu einem Bestandteil des schulischen Curriculums. Lerntherapeut:innen arbeiten als Freiberufler:innen in eigener oder fremder Praxis, als Angestellte in lerntherapeutischen Praxen oder in Schulen, Beratungsstellen, Kliniken und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.

2.1 Durchführung der Lerntherapie

Die Lerntherapie findet im Regelfall in geeigneten Therapieräumen statt, die ausschließlich zur Lerntherapie und zu ergänzenden Zwecken genutzt werden. Diese Räume entsprechen den wesentlichen Anforderungen des Arbeitsschutzes, verfügen über eigene Sanitärräume und bei Bedarf über gesonderte Büro- und Besprechungsmöglichkeiten.
Im Regelfall findet die Lerntherapie in Präsenz in diesen Räumen statt. Bei Bedarf, Notwendigkeit oder zur Erleichterung einer regelmäßigen Therapie kann Lerntherapie auch in Remote oder außerhalb der Therapieräume stattfinden. In diesen Fällen gelten ansonsten dieselben Bedingungen.
Findet Lerntherapie in Räumen von Schule statt, so muss die Schule einen störungsfreien und verlässlichen Raum zur Verfügung stellen. Dabei ist die gebotene Schweigepflicht eines lerntherapeutischen Settings sicherzustellen.
Lerntherapie wird im System der Bezugsbetreuung erbracht. Dazu arbeiten Lerntherapeut:innen in multiprofessionellen Teams oder schließen sich zu regionalen Netzwerken zusammen, um disziplinübergreifende Arbeit und kollegiale Beratung sicherzustellen.
Lerntherapeut:innen arbeiten mit „insoweit erfahrenen Fachkräften Kinderschutz“ zusammen und treffen alle sinnvollen Vorkehrungen für Kinderschutz sowie Teilhabe- und Beschwerdemöglichkeiten. Zu diesem Zwecke stellen Lerntherapeut:innen Möglichkeiten zur internen Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten zur Verfügung, beteiligen sich an einem System
zur externen Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten und weisen Ihre Klient:innen sowie bei Bedarf deren Erziehungsberechtigte ausdrücklich auf diese Möglichkeiten und die bestehenden Ombudsstellen in der Kinder- und Jugendhilfe hin.

2.2 Gespräche mit dem Umfeld und dessen Beratung

Gespräche mit Eltern, Lehrkräften und anderen Beteiligten sind ein integraler Bestandteil der Lerntherapie. Sie sind regelmäßig sowie nach Bedarf durchzuführen. Dabei beraten Lerntherapeut:innen die Akteur:innen im Umfeld über die Lerntherapie und über deren Möglichkeiten zur Unterstützung des Therapieerfolgs.
Wird die Lerntherapie aufgrund einer Kostenübernahme durch einen öffentlichen Leistungsträger erbracht, ist die enge Kooperation mit dem Leistungsträger eine wesentliche Erfolgsgrundlage. Daher sind Hilfeplankonferenzen und alle Formen der Abstimmung mit Leistungsträgern integraler Bestandteil der Lerntherapie. Lerntherapeut:innen sind in das Hilfeplanverfahren einzubeziehen; sie verpflichten sich, an Hilfeplangesprächen teilzunehmen und Entwicklungsberichte zu erstellen.
Der Austausch der Lerntherapeut:innen mit allen übrigen Beteiligten kann persönlich oder IP-gestützt (Telefon, Mail oder mit sonstigen Ende-zu-Ende-verschlüsselten, DSGVO-konformen
Systemen) erfolgen. Im Einzelfall verständigen sich Lerntherapeut:innen mit ihren Gesprächspartner:innen über den zu wählenden Kommunikationsweg.

3 Leistungsentgelt

Die Leistung von Lerntherapeut:innen ist angemessen und ortüblich durch ein Leistungsentgelt zu honorieren. Bei der Ermittlung des Leistungsentgelts kalkulieren Lerntherapeut:innen nach den Grundsätzen von Leistungsfähigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Dabei gelten die betriebswirtschaftlich üblichen Verfahren.
Der Personalkostenanteil des Leistungsentgelts für die lerntherapeutische Tätigkeit kann in Analogie zum TVöD SuE (Entgeltgruppen E11 bis E 17) ermittelt werden. Dabei ist unbeschadet der beteiligten Individuen ein Mittelwert für die Personalkosten anzusetzen.
Für die Erbringung von Leistungen mit individuellem gesetzlichen Anspruch gemäß SGB VIII sind Rahmenvereinbarungen über die Leistung, die Qualitätsentwicklung und das Entgelt zu schließen. Ist in einem Jugendamtsbezirk nur eine diesem Berufsbild entsprechende, zertifizierte Lerntherapeut:in tätig, kann ersatzweise eine Einzelvereinbarung geschlossen werden. Rahmen- wie Einzelvereinbarungen sollen die Festlegungen dieses Berufsbildes aufnehmen.
Für Therapieleistungen von in Ausbildung befindlichen Lerntherapeut:innen (LiAs) ist gegenüber dem öffentlichen oder privaten Kostenträger der für Lerntherapeut:innen vereinbarte Satz
abrechenbar. Voraussetzung dafür ist die Zertifizierung der jeweiligen Praxis als Ausbildungspraxis gemäß der „Normativen Regelung zur praxisbezogenen Ausbildung von Lerntherapeut:innen im Modell ‚LiA‘ und zur Zertifizierung der Ausbildungspraxen“.
Für die Abrechnung lerntherapeutischer Leistungen gegenüber Selbstzahlern ermittelt der Berufsverband für Lerntherapeut:innen e.V. (BLT) jährlich die tatsächlichen Kosten je Therapie-
stunde für eine Musterpraxis. Daraus abgeleitete Empfehlungen für Honorarvereinbarungen werden veröffentlicht und allen zertifizierten Lerntherapeut:innen zur Verfügung gestellt.
Lerntherapeut:innen, die ihre Therapie selbständig in den Praxen anderer Lerntherapeut:innen erbringen und vom Rahmen-, Träger- oder Einzelfallvertrag dieser Praxis erfasst werden, steht
ein angemessenes Honorar zu. Empfohlen wird die Orientierung am halben im Entgelt enthaltenen Personalkostenanteil.

4. Zugänge zum Beruf

Für den Zugang zur lerntherapeutischen Arbeit werden durch dieses Berufsbild verbindliche Mindestanforderungen definiert. Die Anforderungsstruktur der Lerntherapie ist durch hohe Komplexität und häufige Veränderungen gekennzeichnet. Lerntherapeutische Arbeit erfordert einen hohen bis sehr hohen Grad an Selbstständigkeit und Flexibilität und ein detailliertes und spezialisiertes Fachwissen.

4.1 Ausbildung

Eine Qualifizierung zur Lerntherapeut:in ist auf unterschiedlichen Wegen möglich und führt auf die DQR-Niveaustufe 6 oder DQR-Niveaustufe 7. Lerntherapeut:innen qualifizieren sich für den Beruf durch den Abschluss eines lerntherapeutischen Studiums an einer europäischen Universität oder im Rahmen einer vom Fachverband für integrative Lerntherapie e.V. (FiL) bzw. vom Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V. (BVL) anerkannten Ausbildung. Lerntherapeut:innen erwerben ihre Qualifikation in Kombination der Punkte 1, 2 und 4 oder der Punkte 3 und 4 der nachstehenden Liste:

  1. Voraussetzung für den Zugang zur Ausbildung ist in der Regel ein in Deutschland anerkannter Ausbildungs-Abschluss auf der Niveaustufe 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR in der jeweils aktuellen Fassung) in einer einschlägigen (z.B. therapeutischen, pädagogischen, medizinischen, psychologischen, natur-, geistes- oder sozialwissenschaftlichen) Disziplin.
  2. Hinzu kommt der Abschluss einer vom Fachverband für integrative Lerntherapie e.V. (FiL) oder vom Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. (BVL) zertifizierten Theorie-Zusatzausbildung in den Feldern der Lerntherapie.
  3. Alternativ zu einer Qualifizierung gemäß den Punkten 1 und 2 dieser Aufzählung können Lerntherapeut:innen ihre Qualifikation durch den Abschluss eines lerntherapeutischen Studiums an einer europäischen Hochschule in Verbindung mit der Praxiserfahrung gemäß Punkt 4 nachweisen. Ein Abschluss ist auf der Niveaustufe 6 (Bachelor mit 180 ECTS/5.400 Unterrichtseinheiten) oder auf der Niveaustufe 7 (Master mit 60 bzw. 120 ECTS/1.800 bzw. 3.600 Unterrichtseinheiten) möglich.
  4. Ergänzt wird die Ausbildungskombination gemäß den Punkten 1 und 2 ebenso wie die Ausbildung gemäß Punkt 3 dieser Aufzählung durch Praxiserfahrung nach den Richtlinien des Fachverbandes für integrative Lerntherapie e.V. (FiL) oder des Bundesverbandes Legasthenie und Dyskalkulie e. V. (BVL). Diese Praxiserfahrung kann z.B. in anerkannten lerntherapeutischen Ausbildungspraxen als Lerntherapeut:innen in Ausbildung (LiA) oder in anderen lerntherapeutischen Settings in einem Team erworben werden. Eine praxisbegleitende Supervision ist dabei vorgeschrieben.

Damit verfügen qualifizierte Lerntherapeut:innen über eine fachwissenschaftlich fundierte und einschlägige Ausbildung in Theorie und Praxis. Sie wird ab dem 01.01.2024 durch ein transparentes, verbandsunabhängiges und einheitliches Zertifikat (LTZ) nachgewiesen. Bis zum 30.06.2025 besteht für bis dahin seit mehr als drei Jahren tätige Lerntherapeut:innen die Möglichkeit auf Anerkennung und Zertifizierung der Gleichwertigkeit ihrer theoretischen und praktischen Kenntnisse (Altfallregelung). Über die Ausstellung eines LTZ entscheiden auf Antrag und nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls der Berufsverband für Lerntherapeut:innen e.V. (BLT), der Fachverband für integrative Lerntherapie e.V. (FiL) oder der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. (BVL).
Zum Nachweis der Qualifikation gemäß den Punkten 1, 2 und 4 oder den Punkten 3 und 4 der vorstehenden Liste stellen Lerntherapeut:innen einen Antrag auf ein LTZ. Dem schriftlichen, per Mail zu übermittelnden Antrag sind alle entscheidungsrelevanten Unterlagen über Vorbildung, lerntherapeutische Zusatzausbildung und Praxiserfahrung beizufügen. In Zweifelsfällen kann die zertifizierende Organisation beglaubigte Kopien oder Einsicht in die Originale anfordern.
Die Zertifizierung per LTZ erfolgt befristet für die Dauer von vier Jahren. Vor Fristablauf ist zu belegen, dass die persönliche Qualifikation gemäß den Mindestregeln des Zertifikats aufrechterhalten und weiterentwickelt wurde.

4.2 Praxis-Ausbildung ‚LiA – Lerntherapeut:innen in Ausbildung

Teilnehmer:innen einer vom Fachverband für integrative Lerntherapie e.V. (FiL) oder vom Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. (BVL) anerkannte Theorie-Zusatzausbildung in den Feldern der Dyslexie- und/oder der Dyskalkulie-Therapie können mit erfolgreichem Abschluss der Hälfte der Theorie-Bausteine in einer anerkannten Ausbildungspraxis als „Lerntherapeut:innen in Ausbildung (LiAs)“ arbeiten. Die Anerkennung als Ausbildungspraxis erfolgt auf der Grundlage der „Normativen Regelung zur praxisbezogenen Ausbildung von Lerntherapeut:innen im Modell ‚LiA‘ und zur Zertifizierung der Ausbildungspraxen“ durch den Fachverband für Integrative Lerntherapie e.V. (FiL).
Die Einhaltung dieser normativen Grundlage wird durch ein Qualitäts-Zertifikat bestätigt. Es kann von lerntherapeutischen Praxen in Kooperation mit Weiterbildungsinstituten und Hochschulen mit Studiengängen „Integrative Lerntherapie“ erworben werden.
Die Ausbildungspraxis verpflichtet sich, LiAs in enger Supervision zu betreuen und dies zu dokumentieren. LiAs absolvieren innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren die noch ausstehenden vertiefenden Theorieanteile begleitend zur Praxisausbildung. Sobald alle Theorie- und Praxisanteile samt der zugehörigen Supervision absolviert sind, können LiAs ein akkreditiertes Zertifikat als Lerntherapeut:in erwerben.
Die Ausbildungspraxis muss entweder einen Trägervertrag über die Leistung „Integrative Lerntherapie“ mit dem örtlichen oder überörtlichen Träger der Jugendhilfe abgeschlossen und mindestens einen Qualitätsentwicklungs-Dialog erfolgreich absolviert haben oder eine Ausbildungsleitung mit mindestens zehnjähriger Berufserfahrung benennen. Die Leitung der Einrichtung und die anleitende Lerntherapeut:in müssen eine LTZ-Zertifizierung vorweisen.
Dabei begleitet die anleitende Lerntherapeut:in den Prozess engmaschig durch hochfrequente kooperative Fallberatung und Analysen. Die LiAs werden von Beginn an in die Intervisionsgruppen und Supervisionsgruppen der Einrichtung einbezogen. Regelmäßige Intervisionen im Team und Supervisionen in Einzel- und Gruppensettings ergänzen den Entwicklungsprozess. Alle Prozesse werden dokumentiert und bescheinigt.
LiAs sind während der ersten drei Monate als Praktikant:innen eingestellt und hospitieren in einem Umfang von insgesamt 40 Arbeitseinheiten in verschiedenen Lerntherapien. Nach der Praktikumsphase übernehmen die LiAs eigenverantwortlich Lerntherapien.

4.3 Fortbildung und Supervision

Lerntherapeut:innen bilden sich als Teil des lebenslangen Lernens beständig fort. Für die beständige Re-Zertifizierung (LTZ) ist die persönliche Teilnahme an mindestens 100 Unterrichtseinheiten Fortbildung in einem Zeitraum von vier Jahren nachzuweisen. Des Weiteren ist der Nachweis über die persönliche Teilnahme an kalenderjährlich mindestens zehn Unterrichtseinheiten Supervision bzw. Intervision zu erbringen. Der Nachweis über die Teilnahme an anerkannten Fortbildungen und an Supervisions- oder Intervisionssitzungen ist Voraussetzung für die Re-Zertifizierung der Lerntherapeut:innen und deren Anerkennung im Rahmen von Leistungsverträgen. Der Nachweis ist durch personenbezogene Bestätigungen des jeweiligen Veranstalters zu führen und über die Fachverbände zu dokumentieren und zu bestätigen.

5 Abschlusserklärung

Dieses Berufsbild wurde von den zeichnenden Verbänden erarbeitet und ist durch gemeinsamen Beschluss in Kraft zu setzen. Die zeichnenden Verbände verpflichten sich, dieses Berufsbild jeweils nach Bedarf, spätestens aber alle vier Jahre einer Revision zu unterziehen.
Sollten bei der Umsetzung Unklarheiten auftreten oder einzelne Bestimmungen tatsächlich oder rechtlich nicht umgesetzt werden können, verpflichten sich die zeichnenden Verbände, in gemeinsamer Erarbeitung die betroffene Bestimmung so weit wie möglich ihrem beabsichtigten Sinne nach umzusetzen und die mitzeichnenden Verbände frühestmöglich über das Umsetzungshindernis zu informieren und die beabsichtigte alternative Umsetzung zu erläutern.

Fachverband für integrative Lerntherapie e.V.  |  Berufsverband für Lerntherapeut:innen e.V

Stand: 22. Juni 2022